Spielplätze sind tolle und bereichernde Spielorte, die Kinder aller Altersklassen herzlich willkommen heißen. Denkt man. Wären da nicht die Spielplatzschilder, gespickt mit Verboten und Einschränkungen. Sie sind nicht nur ärgerlich, sondern auch völlig unnötig. Welche Informationen auf ein Spielplatzschild gehören und warum, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Vor einigen Wochen stolpere ich auf Instagram über den Post von @nathalie_kluever (ehem. @eineganznormalemama). Darin ärgert sich die Autorin und zweifache Mutter über das Spielplatzschild auf dem Spielplatz „Achtern Dieck“ in Büsumer Deichhausen. Der Spielplatz ist groß, weitläufig und mit diversen Spielgeräten für Kinder unterschiedlichen Alters ausgestattet. Er liegt im Grünen, direkt hinterm Deich – keine bewohnten Häuser in unmittelbarer Nähe. Und trotzdem schreibt das Spielplatzschild eine zweistündige Spielpause über die Mittagszeit vor. Zudem untersagt es die Nutzung des Spielplatzes für Kinder ab 11 Jahren komplett!

Dieses gepostete Spielplatzschild löste auf Instagram bei vielen Eltern Empörung aus. Screenshot: Instagram-Account @nathalie_kluever

Solche Schilder lösen ein „diffuses Gefühl, nicht erwünscht zu sein“ aus und dieses Gefühl begleitet viele Familien, schreibt Nathalie Klüver zu ihrem geposteten Foto. Eltern machen ihrem Ärger in zahlreichen Kommentaren Luft und schreiben über ähnlich negative Erfahrungen. Der Tenor: Armes, kinderunfreundliches Deutschland!

Warum steht dort dieses Spielplatzschild?

Ich kann den Unmut der Eltern absolut verstehen. Doch noch viel größer ist mein Unverständnis darüber, dass dieses völlig unpassende Spielplatzschild dort überhaupt steht. Da baut die Gemeinde Büsumer Deichhausen einen großen Spielplatz für Kinder, stattet ihn mit vielfältigen Spielgeräten, nur um die Kinder dann per Spielplatzschild wieder auszuladen? Das ist absurd!

Durch Spielplatzschilder mit vorgegebenen Ruhezeiten schließen wir Kinder aus. Da wird die Mittagsruhe anderer über die Interessen der Kinder gestellt. 

Andreas Hoffmann, Spielplatzprüfer

Andreas Hoffmann, seit 10 Jahren zertifizierter Spielplatzprüfer, kommentiert ebenfalls unter dem Instagram-Post. Er erzählt mir, dass er selbst bis vor einigen Jahren als kommunaler Mitarbeiter in einer kleinen Gemeinde im Münsterland zuständig für die Spielplätze vor Ort war und eine eindeutige Meinung zu derartigen Spielplatzschildern hat: „Durch Spielplatzschilder mit vorgegebenen Ruhezeiten schließen wir Kinder aus. Und zwar gerade in dem Moment, wenn sie aus der Schule kommen und besonders viel Bewegung brauchen. Da wird die Mittagsruhe anderer über die Interessen der Kinder gestellt.“ Und auch die Begrenzung auf 10 Jahre empfindet der Spielplatzfachmann als diskriminierend: „Solche Altersbegrenzungen sind fragwürdig. Was ist denn mit älteren Kindern, die vielleicht motorisch noch nicht so weit sind, für die aber bestimmte Spielgeräte genau richtig wären? Sind solche Beschränkungen vor diesem Hintergrund überhaupt zulässig?

Welche Informationen gehören auf ein modernes Spielplatzschild? 

Wie sieht eigentlich ein modernes, aktuelles Spielplatzschild aus? Gibt es da Vorschriften? Dazu kann das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) in Berlin Auskunft geben. Denn dort sitzen die Spielplatz-Experten und -Expertinnen, die den Inhalt der Spielplatznorm diskutieren und festlegen. Laut Stephan Wellendorf vom DIN e. V. gibt es ganz konkrete Vorgaben zur Gestaltung von Spielplatzschildern. Denn die Spielplatzbeschilderung ist Teil der Spielplatzsicherheit und unterliegt damit der europäischen Spielplatznormenreihe DIN EN 1176. Konkret der DIN EN 1176-7, Spielgeräte und Spielplatzböden – Teil 7: Anleitung für Installation, Inspektion, Wartung, Betrieb.

Darin heißt es, auf jedem nach Norm gebauten Spielplatz muss ein Hinweisschild gut sichtbar mit folgenden Informationen aufgestellt sein:

  • Name und Adresse des Spielplatzes und ggf. weitere relevante Informationen zum Standort, damit man Einsatzkräften im Notfall den Weg weisen kann.
  • allgemeine Notrufnummern (Feuerwehr / Polizei), damit schnell Hilfe geholt werden kann, wenn sich zum Beispiel ein Kind verletzt.
  • Kontaktmöglichkeiten (Telefonnummer / E-Mail) zum Wartungspersonal, um Gefahren für Kinder unverzüglich melden zu können, wie defekte Spielgeräte, Glasscherben, Drogenspritzen, o. ä.
  • Alle Informationen auf dem Spielplatzschild sollten mit Hilfe von Piktogrammen oder grafischen Symbolen dargestellt werden. Eine visuelle, kindgerechte Darstellung ermöglicht es auch Kindern, die wichtigsten Informationen zum Spielplatz zu verstehen.
Spielplatzschild mit Schrift und Piktogrammen
Die Piktogramme (rechts) helfen, die Informationen schnell zu erfassen. Fotos: Spielplatztreff.de

Mit der aktuellen Überarbeitung der Spielplatznorm aus dem Jahr 2020 sind die Empfehlungen für die Spielplatzschilder größtenteils in Anforderungen überführt worden, so Stephan Wellendorf. „Das schafft zwar etwas mehr Verbindlichkeit, es bedeutet aber nicht, dass Spielplatzbetreiber mit Bußgeldern belangt werden können, wenn ein Spielplatzschild nicht den Anforderungen der Spielplatznorm DIN 1176 entspricht. Dies liegt daran, dass Normen bis auf wenige Ausnahmen, beispielsweise wenn Normen im direkten Zusammenhang mit der Gesetzgebung stehen, in ihrer Anwendung grundsätzlich freiwillig sind.“

Einschränkungen auf Spielplatzschildern mit Augenmaß einsetzen

Aber auch auf einem modernen und normgerechten Spielplatzschild mit Piktogrammen ist ausreichend Platz für unnötige Verbote und Einschränkungen.

Piktogramme, die auf ein Alkohol- und Rauchverbot hinweisen, die daran erinnern, den Müll in Abfallbehälter zu entsorgen oder die zeigen, ob Hunde erlaubt sind oder nicht, sind sicherlich sinnvoll. Besonders wichtig ist auch der Hinweis auf das Helm-Verbot. Doch bei allen weiteren Einschränkungen sollten die Spielplatzverantwortlichen ganz besonders sensibel darauf achten, nicht über das Ziel hinauszuschießen, um Kinder und Eltern nicht abzuschrecken. Ausnahmen stellen hierbei Spielplätze in besonderer Lage dar, die Ruhezeiten oder Altersbeschränkungen rechtfertigen.

Spielplatzschilder sind vielerorts Altlasten

Laut Spielplatzprüfer Andreas Hoffmann sind viele Hinweisschilder veraltet, weil die Spielplatzbetreiber den Schildern viel zu wenig Beachtung schenken. Und so versäumen sie es häufig, diese „Altlasten“ zu entsorgen. „Ich habe in den letzten fünf Jahren so einige Schilder vorgefunden, da stand unten sogar noch als Hinweis Der Stadtdirektor drauf. Dabei wurde diese Bezeichnung bereits Mitte der 90er Jahre in Bürgermeister bzw. Bürgermeisterin geändert. Daraus lässt sich erahnen, wie lange diese Schilder schon stehen.“, äußert der Spielplatzprüfer voller Unverständnis.

Man tut einfach den Kindern keinen Gefallen, wenn man alte Spielplatzschilder stehen lässt.

Andreas Hoffmann, Spielplatzprüfer

Britta Feddern vom Technischen Bauamt in Büsum-Wesselburen, nimmt an, dass dies höchstwahrscheinlich auch auf dem Spielplatz in Büsumer Deichhausen der Fall ist. Es seien in der Gemeindeverordnung tatsächlich Ruhezeiten verankert und es gäbe teilweise strenge Auflagen. Viele von diesen alten Schildern wurden im Amtsgebiet bereits mit der Zeit ausgetauscht, eventuell wurde das Schild auf diesem Spielplatz übersehen? Britta Feddern will nachforschen, was es mit dem Spielplatzschild auf sich hat.

Andreas Hoffmann geht bei jeder Spielplatzprüfung konsequent gegen alte Schilder vor: „Man tut einfach den Kindern keinen Gefallen, wenn man alte Spielplatzschilder stehen lässt. Da sind auch wir Spielplatzprüfer gefragt, solche Schilder zu bemängeln und Spielplatzbetreiber darauf hinzuweisen, dass diese nicht mehr der Norm entsprechen und auszutauschen sind.“

Aus ökologischen Aspekten kann es durchaus sinnvoll sein, Schilder vorläufig per Aufkleber (links) wieder normgerecht zu gestalten. Auch die Anbringung zusätzlicher Infoschilder sind möglich. Fotos: Spielplatztreff.de

Leider bleibe das bemängelte Schild trotzdem oft stehen. Während ein mangelhaftes Spielgerät aufgrund der drohenden Verletzungsgefahr in der Regel sofort abgesperrt oder abgebaut werde, drücke man bei einem veralteten Spielplatzschild schon mal ein Auge zu. Grund dafür seien unter anderem die Kosten. Denn bei 20 Spielplätzen ist man schnell mal 12.000 Euro los, schätzt Andreas Hoffmann. Und so üppig sind die Spielplatz-Budgets bekanntlich nicht.

Dennoch kein überzeugendes Argument für den Spielplatzexperten: „Beim Wechsel von einem Bürgermeister zu einer Bürgermeisterin wird im Rathaus auch sehr viel Geld in die Hand genommen, um unpassend gewordene Beschilderungen auszutauschen. Aber da draußen auf den Spielplätzen, da hängen 30 Jahre lang die gleichen Schilder. Das ist nicht in Ordnung.“, davon ist Andreas Hoffmann überzeugt.

Sind Pausenzeiten und Beschränkungen auf dem Spielplatz überhaupt noch zeitgemäß?

Das Deutsche Kinderhilfswerk vertritt, laut Claudia Neumann – Referentin für Spiel und Bewegung –, diesbezüglich eine klare Position: „Das Recht auf Spiel, gemäß Kinderrechtskonvention, hat keine Pausenzeit. Daher sollte auf dem Spielplatz lediglich die gesetzliche Nachtruhe ab 22 Uhr gelten. Tagsüber und am Wochenende gilt schlicht das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, auf die man natürlich bei Bedarf auch hinweisen sollte. Altersbeschränkungen sind, unserer Ansicht nach, nur sinnvoll, wenn es sich eindeutig um einen Kleinkindspielplatz handelt. Ohnehin sind die Kommunen ja eher gefordert, Spiel- und Bewegungsangebote für alle Altersstufen zu schaffen. Deshalb sollte eine Altersbeschränkung aus kinderrechtlicher Perspektive nie als Zutrittsverbot formuliert werden. Sondern eher als Aufforderung, jüngeren Kindern im Kleinkindbereich den Vortritt zu geben. Gleiches gilt übrigens auch für die Erwachsenen, die die Tischtennisplatte für die Kinder freimachen sollten.“

Spielplatzprüfer Andreas Hoffmann ist ähnlicher Meinung. Daher fordert er Betreiber auf, „die teils uralten Gemeindesatzungen durchzuschauen und sich zu überlegen, inwieweit diese Ruheregelungen noch Bestand haben oder überhaupt rechtssicher auf Spielplätze übertragbar sind. Schließlich hat sich in der Rechtsprechung hinsichtlich des Kinderlärms in den letzten Jahren einiges verändert.“

Kinderlärm ist Zukunftsmusik

Kinderlärm wird seit einer Gesetzesänderung des Immissionsschutzgesetzes 2011 vor Gericht tatsächlich „privilegiert“ und nicht mehr als „schädliche Umwelteinwirkung“ eingestuft.

Da können die Leute klagen so viel sie wollen. Es gibt doch ganz eindeutige Urteile, dass Kinderlärm hinzunehmen ist.

Andreas Hoffmann, Spielplatzprüfer

Mit dieser Gesetzesänderung setzt der Gesetzgeber bewusst ein klares Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft. Und sorgt gleichzeitig dafür, dass Klagen gegen Kinderlärm auf Spielplätzen erschwert werden. Davon gibt es leider dennoch jede Menge, wie ein Blick in die freie Rechtsprechungsdatenbank openjur.de zeigt. Doch wie heißt es so schön: Kinderlärm ist Zukunftsmusik. Und daher ist der Lärm, der von spielenden Kindern ausgeht, von Anwohnenden auch über die Mittagszeit eher hinzunehmen, als beispielsweise Motorengeräusche von Rasenmähern oder Kettensägen.

Für Spielplatzprüfer Andreas Hoffmann ist die Sache klar: „Da können die Leute klagen so viel sie wollen. Es gibt doch ganz eindeutige Urteile, dass Kinderlärm hinzunehmen ist. Man kann doch den Kindern nicht das Spielen verbieten! Um solchen Klagen vorzubeugen, wäre es ratsam bei neuen Spielplätzen alle Anwohnenden mit ins Boot zu holen.“

Ich finde, Andreas Hoffmann hat Recht! Damit Kinder zu ihrem Recht kommen, müssen Spielplatzbetreiber nicht immer wieder neue Einschränkungen auf Spielplatzschildern formulieren. Sondern voll Leidenschaft für die Rechte spielender Kinder eintreten – zur Not auch vor Gericht! Das sind wir unseren Kindern schuldig.

Und wie geht es nun mit dem Spielplatzschild in Büsumer Deichhausen weiter?

Britta Feddern hat richtig gute Nachrichten für mich und letztendlich vor allem für die Eltern, die den Spielplatz „Achtern Dieck“ am Deich gerne besuchen: „Der Spielplatz ist zurzeit in der Überplanung und soll mit Piratenschiff und Fitnessgeräten für Jung und Alt attraktiver werden. Wenn alles nach Plan läuft, soll noch in diesem Sommer der Umbau abgeschlossen sein. Für den Hinweis der „schlechten“ Beschilderung bin ich Ihnen sehr dankbar, da diese völlig veraltet und fehlerhaft ist und im Zuge dessen ersetzt wird.“

Spielplatzschild
So sieht das Spielplatzschild (Muster) aus, das wohl bald auf dem Spielplatz „Achtern Dieck“ in Büsumer Deichhausen hängen wird. Foto: Gemeinde Büsum

Das klingt nach einem Happy End. Und es klingt danach, als würde es sich lohnen, unpassende Schilder nicht einfach hinzunehmen, sondern konkret vor Ort darauf hinzuweisen, dass sich Eltern und Kinder wohler fühlen, wenn das Spielplatzschild nicht voller Verbote steckt, sondern eine herzliche Einladung zum Spielen ist und gegenseitige Rücksichtnahme erbittet.

Wie geht ihr mit unpassenden Spielplatzschildern um, wenn ihr welchen begegnet? Schreibt eure Erfahrungen in die Kommentare.

Titel-Foto: Spielplatz „Achtern Diek“ in Büsumer Deichhausen / © Spielplatztreff.de


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