Anfang März hat Fanta zusammen mit dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem TÜV
Rheinland die Fanta Spielplatz-Initiative ins Leben gerufen. Noch bis Mitte April können sich Träger von Spielplätzen oder Spielplatzinitiativen um Sanierungszuschüsse bewerben. Das klingt gut, wirft aber auch Fragen auf. Wir haben mit Holger Hofmann, Spielraumexperte vom Deutschen Kinderhilfswerk, gesprochen.

Herr Hofmann, Fanta ist ein Produkt mit sehr hohem Zuckeranteil. Haben Sie Bauchschmerzen bei dieser Kooperation?

Hofmann: Das Deutsche Kinderhilfswerk prüft alle Firmenkooperationen, insbesondere aus der kinderrechtlichen Perspektive. Organisationen wie wir
leben von solchen Firmen wie Fanta, die sagen, wir geben unser Geld nicht nur für TV-Spots aus, sondern stecken es in gesellschaftliches Engagement und inhaltliche Kampagnen. Von daher begrüßen wir das außergewöhnliche Engagement von Fanta natürlich und hoffen, dass man dieses Engagement zu würdigen weiß, zumal uns kein anderes Engagement in dieser Größenordnung für Spielplätze in Deutschland bekannt ist.

Mein Eindruck ist, dass Fanta sehr sensibel reagiert. Sie wenden sich nicht an die Kinder, sondern an die Eltern. Sie wollen auch auf den Spielplätzen, die saniert werden, oder auf dem Modellspielplatz nicht dauerhaft präsent sein. Wir werden auch auf dem Modellspielplatz kein Schild aufstellen „Das ist ein Fanta-Spielplatz“.

Aber natürlich kann bei solchen Produkten wie Fanta nicht die Message sein, kauft und trinkt soviel ihr könnt. Wichtig ist eine  ausgewogene und  gesunde Ernährung . Dabei kann Fanta, wie etwa auch der Schoko-Riegel,  Bestandteil einer Tagesernährung sein. Es darf nicht das einzige Getränk der Kinder sein. Hier sollen auch die Eltern mitdenken: Fanta ja, aber es gibt auch noch etwas anderes.


Rahmenbedingungen:

  • Vom 01. März bis 10. April 2012 können Spielplatz-Träger und Spielplatz-Initiativen Anträge zur Finanzierungshilfe beim DKHW einreichen.
  • Vom 15. April bis zum 15. Juli 2012 läuft die Verkaufsaktion: Pro verkaufter Fanta-Flasche gehen 25 Cent an die Spielplatz-Initiative – bis zu einer Gesamtsumme von 100.000 Euro.
  • Vom 15. April bis 15. Juni 2012 können Verbraucher unter www.facebook.com/fantaspielspass abstimmen, welche 20 Spielplatz-Träger die finanzielle Zuwendung erhalten.

100.000 Euro für 20 Spielplätze. Lassen sich mit dieser Summe Spielplätze sanieren?

Wenn ich mir eine große Kletterburg wünsche, schaffe ich das mit 5.000 Euro natürlich nicht. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum an bestimmten Stellen Verbesserungen herzustellen.

Wir haben festgestellt, dass es oftmals gar nicht an der Ausstattung mit Spielgeräten mangelt, sondern eher die Geländegestaltung vernachlässigt wurde, so dass es an Möglichkeiten zum kreativen freien Spielen fehlt. Spielplätze sind häufig platt und eben und das hat dann sofort den Effekt, dass Kinder die Freifläche nicht mehr nutzen, weil sie ihnen keine Bewegungsanreize bietet. Gibt es aber Hügel, Sträucher, Hecken zum Verstecken, dann haben Kinder schon viel mehr Möglichkeiten zu spielen.

Steigen dann nicht die Unterhaltungskosten für den Spielplatz?

Ja, das erfordert schon einen gewissen Pflegeaufwand. Es müssen Büsche beschnitten werden und Rasenflächen gekürzt. Aber man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Es soll ja hier kein Park entstehen. Ein Spielplatz kann auch leben. Eine Rasenfläche muss nicht immer akkurat gemäht sein. Steine müssen nicht immer wieder an Ort und Stelle zurückgelegt werden. Und sicherlich besteht auch hier die Möglichkeit bei kleineren Arbeiten, die Hilfe engagierter Spielplatzpaten oder Elterninitiativen in Anspruch zu nehmen. Zum Beispiel wenn ein Weidentunnel gepflanzt wurde und dieser von Zeit zu Zeit begossen und beschnitten werden muss.

75.000 Euro stellt Fanta zusätzlich zum Sanierungsfonds für einen Modellspielplatz zur Verfügung. Was ist das besondere an diesem Spielplatz?

Das Deutsche Kinderhilfswerk legt einen eigenständigen Fokus auf das Thema Spielwert. Deshalb war es uns auch in der Kooperation mit Fanta und dem TÜV wichtig, einen Modellspielplatz mit einem ganzheitlichen Ansatz zu entwickeln, der beispielhaft zeigt, wie ein Spielplatz mit hohem kreativen Spielwert, aber dennoch kostengünstigen Modulen aussehen kann.

Wir wollen zeigen: Ein Spielplatz muss nicht teuer sein, um Kindern vielfältige Bewegungsanreize zu bieten und Raum zur freien und individuellen Gestaltung und zum Experimentieren zu lassen. Denn 75.000 Euro hören sich zwar viel an. Die Summe ist aber eher Mittelmaß im Vergleich zu dem, was Kommunen für die komplette Ausstattung eines Spielplatzes ausgeben.

Der Modellspielplatz entsteht übrigens auf einem öffentlichen Spielplatz in Bochum, der in einem ziemlich vernachlässigten Zustand war. Nach der Komplettsanierung wird der Spielplatz am 28. Mai 2012 zum Weltspieltag in Bochum feierlich eröffnet.

Können Sie genauer beschreiben, was Sie unter dem „kreativen Spielwert“ verstehen?

Da gibt es mehrere Kriterien an denen sich der kreative Spielwert festmachen lässt. Ein Kriterium ist zum Beispiel die Raumgliederung. Wenn ein Spielplatz durch Bäume, Sträucher, Hecken oder Mauern in unterschiedliche Bereiche gegliedert wird, fühlen sich die Kinder nicht nur geborgener, sondern ihnen werden auch zusätzliche Spielaktivitäten ermöglicht, wie zum Beispiel Versteck spielen.

Ein weiteres Kriterium ist die vielfältige Gestaltung. Ein Spielplatz sollte vielfältige Erfahrungen, Kreativität und entdeckendes Lernen durch Gestaltungsangebote mit Sand, Wasser, Lehm und Steinen ermöglichen. Die Möglichkeit, den Raum zu gestalten und sich anzueignen, sollte neben den üblichen Spielgeräten eröffnet werden.

Ein drittes Kriterium ist die landschaftstypische Gestaltung. Damit ist gemeint, dass der Spielplatz nicht abschottet von der Natur ringsherum besteht, sondern die Natur bei der Planung mit einbezogen wird. Oft werden zum Beispiel Obstbäume von Spielplätzen mit der Begründung entfernt, das sei zu gefährlich, die Kinder klettern drauf oder essen die Äpfel. Dabei ist das eine wichtige Bildungserfahrung, die unbedingt erhalten bleiben sollte. Oder wenn es Bachläufe gibt, sollten die Kinder Zugänge zu diesen Bachläufen erhalten.

Zugänge zu Bachläufen?! Da höre ich schon die Alarmglocken läuten…

Da müssen wir alle in der Gesellschaft umdenken und unseren Kindern auch zugestehen, dass sie nicht ferngehalten werden von jeglichen Gefahren. Das erfordert dann auch mehr Mut von den Verantwortlichen in den Kommunen, das dann auch durchzusetzen und Eltern zu überzeugen.

Denn es ist ja geradezu absurd: Wir haben auf der einen Seite den Straßenverkehr, wo wir den Kindern große Gefahren zumuten und keiner sagt, jetzt müssen wir einen Zaun um die Straße bauen. Aber bei einem Bach sagen wir, das ist zu gefährlich, den können wir den Kindern nicht zumuten.

Haben Sie ein anderes Verständnis von Spielplätzen als die meisten Erwachsenen?

Wir haben bei den Kommunen ein Defizit, was ein ganzheitliches Bild von Spielplätzen anbelangt. Viele Erwachsene denken immer noch, dass Spielplätze ästhetisch und schön anzuschauen sein müssen, natürlich nach den Ansprüchen von Erwachsenen. Und sie vergessen, was eigentlich Sinn und Zweck eines Spielplatzes ist: Nämlich möglichst viele Bewegungsanreize zu bieten und ein Wohlfühlerlebnis für Kinder zu vermitteln.

Auch Eltern haben teilweise Ansichten, die dem freien kindlichen Spiel entgegenstehen. Auf Elternseite gibt es große Ängste, den Kindern könnte beim Spielen etwas zustoßen. So werden Kinder an der Hand über Klettergerüste geführt, was genau das Gegenteil von dem ist, was hilft. Kinder können sehr gut alleine einschätzen, welche Dinge sie erklettern können und welche nicht. Wenn ihnen jedoch geholfen wird, dann ist es eher gefährlich, weil sie sich plötzlich in Situationen wiederfinden, in die sie eigentlich gar nicht hineingeraten wären. Auf der anderen Seite fehlt dann den Kindern die Selbstwirksamkeit, sie erleben zu selten, etwas selbst geschafft und bewältigt zu haben, weil ihnen ja geholfen wurde.

Kann die Spielplatzinitiative in diesem Sinne auch Aufklärungsarbeit leisten?

Uns war von Beginn an wichtig, dass diese Initiative keine einmalige Aktion ist, sondern nachhaltiges Engagement mit sich bringt. Als Deutsches Kinderhilfswerk setzen wir uns schon seit vielen Jahren für Spielplätze ein. Und ich gehe davon aus, dass wir die Initiative auch nach 2012 gemeinsam mit Fanta und dem TÜV Rheinland fortführen. Ganz wichtig wird es sein, den Fokus auf die Öffentlichkeitarbeit zu diesem Thema zu legen.

Wir fangen ja gerade erst an. Wie das Programm 2013 genau aussehen wird, werden wir gemeinsam nach den Erfahrungen in diesem Jahr entscheiden. Letztendlich spielen Kinder immer weniger draußen. Wir brauchen dingend mehr Aufmerksamkeit. Deshalb freuen wir uns auch über das gesellschaftliche Engagement von Fanta.

Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch und viel Erfolg mit der Spielplatz-Initiative!