Spielplätze in Deutschland werden nach Norm gebaut. Spielplatz-Expertin Katrin Bartel erklärt, warum das gut ist und inwieweit auch das Verhalten der Eltern die Sicherheit auf Spielplätzen erhöht.


Das Gespräch mit Katrin Bartel als Podcastfolge hören:

Was soll die Spielplatz-Norm leisten und wann wurde die Norm eingeführt?

Die Norm zielt darauf ab, das Leben zu schützen, ohne dabei das Risiko kleinerer Verletzungen wie Bein- oder Armbrüche auszuschließen. Sie erkennt an, erklärt Katrin Bartel, dass Spielplätze einen sicheren Rahmen bieten sollen, in dem Kinder Gefahren erkennen und ihre Grenzen austesten können, was für die Entwicklung ihrer Fantasie und Selbstständigkeit wichtig ist. Dabei, betont Katrin Bartel, wird ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Spielwert angestrebt, um Kinder sowohl vor ernsthaften Gefahren zu schützen als auch spannende und herausfordernde Spielumgebungen zu schaffen.

Mitte der 70er Jahre wurde mit der DIN 7926 erstmals eine Norm für Spielplatzbau eingeführt, um die Sicherheit zu erhöhen und Unfälle zu minimieren. Diese achtseitige Norm, die 25 Jahre lang Bestand hatte, trug signifikant zur Risikominderung bei, erzählt Katrin Bartel. Seit 1998 gilt die umfassendere DIN EN 1176.


Katrin Bartel ist als qualifizierte Spielplatzprüferin nach DIN 79161 regelmäßig auf unterschiedlichsten Spielplätzen in Deutschland unterwegs. Außerdem ist sie Ausbilderin für Spielplatzprüfer nach DIN 79161 am Bildungszentrum für Beruf und Umwelt in Höxter sowie Sachverständige für Holzschutz. Auf Instagram findet ihr Katrin Bartel unter @spielplatzfragen.de 


Was ist in der Spielplatz-Norm festgelegt?

Die DIN EN 1176, gültig in ganz Europa, setzt Standards für Bau und Prüfung aller Spielgeräte. Teil 1 behandelt allgemeine Sicherheitsanforderungen, wie Schutzvorkehrungen und Fallschutz. Die weiteren Teile, so die Spielplatzexpertin, spezifizieren Anforderungen für einzelne Spielgeräte, z.B. Schaukeln in Teil 2. Die DIN 18034 betrifft Spielplatzplanung und -umfeld, die DIN EN 1177 regelt Anforderungen an Spielplatzböden, und die DIN 79161 definiert Qualitätsstandards für Spielplatz-Prüfer.

Wie verbindlich ist die Spielplatz-Norm?

Alle öffentlich zugänglichen Spielgeräte müssen der Spielplatz-Norm entsprechen, basierend auf § 823 im BGB. Darin steht: wer etwas in den Verkehr bringt oder für Dritte zur Verfügung stellt, muss die Sicherheit für Nutzer gewährleisten. Betreiber, wie Städte oder Gemeinden, aber auch Wohnungseigentümergemeinschaften, müssen sicherstellen, dass Spielgeräte, wie Wippen, für alle sicher sind. Bei Unfällen prüft das Gericht, ob das Gerät nach der Norm sicher war. Obwohl die Spielplatz-Norm keine gesetzliche Vorschrift ist, gilt sie gerichtlich als verbindlicher Standard. Daher sollte man sich an die Norm halten, um Ärger zu vermeiden, findet Katrin Bartel.

Welche verschiedenen Arten von Spielplatzprüfungen gibt es und wie gewährleisten diese die Spielplatz-Sicherheit?

Theoretisch kann jeder, der sich mit der Spielplatz-Norm auskennt, Spielplätze prüfen. Um ein bestimmtes Wissensniveau zu gewährleisten, legt die DIN 79161 Mindeststandards für die Ausbildung und Rezertifizierung von „qualifizierten Spielplatzprüfern“ fest. Katrin Bartel betont: Jede Prüfungsart erfordert unterschiedliche Kenntnisse und ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Sicherheit auf Spielplätzen.

Es gibt drei Hauptarten von Spielplatzprüfungen, erklärt die Expertin:

  • Visuelle Routine-Inspektion: Abhängig von der Nutzungshäufigkeit und Risikofaktoren wie Vandalismus wird sie täglich bis wöchentlich durchgeführt. Diese oberflächliche Prüfung dient dem Erkennen offensichtlicher Mängel oder Gefahren, wie beschädigte Spielgeräte. Jeder kann diese Prüfung durchführen und sollte gefundene Mängel melden.
  • Operative Inspektion: Diese beinhaltet eine detaillierte Überprüfung der Standsicherheit und Stabilität der Spielgeräte. Eine spezielle Einweisung ist erforderlich, um zu wissen, worauf bei jedem Gerät geachtet werden muss. Die Häufigkeit variiert von monatlich bis vierteljährlich, je nach Spielplatznutzung.
  • Jährliche Hauptinspektion: Ähnlich der TÜV-Prüfung bei Autos, umfasst diese Inspektion eine gründliche Überprüfung aller Spielgeräte von oben bis unten. Hierbei wird die allgemeine Stabilität, der Zustand von Holz oder Metall und mögliche Abnutzungserscheinungen geprüft. Auch der Übergangsbereich zwischen Erdschicht und Gerät wird inspiziert, um sicherzustellen, dass kein Pilzbefall oder andere Schäden vorliegen. Diese Prüfung erfordert die Kenntnis der Norm und die Erfahrung Risiken zu erkennen, einzuschätzen und zu beurteilen.

Auch neu aufgebaute Spielplätze und Spielgeräte müssen eine Erstabnahmeprüfung durchlaufen, um sicherzustellen, dass sie korrekt montiert wurden und alle Normvorgaben erfüllen. Diese Inspektion nach Installation dient dazu, mögliche Montagefehler zu identifizieren, wie etwa falsche Maße, unzureichenden Fallschutz oder inkorrekte Abstände zwischen den Geräten. Trotz Herstellerkonformität können beim Aufbau Fehler passieren, daher ist diese Überprüfung entscheidend, um die Sicherheit zu gewährleisten.


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Wie wichtig ist Berufserfahrung als Spielplatzprüfer oder -prüferin?

Erfahrung ist entscheidend, so Katrin Bartel, um die Bedeutung von Normabweichungen richtig einzuschätzen – manche Details sind kritisch, andere weniger. Neue Prüfer orientieren sich oft strikt an Vorgaben, während erfahrene Prüfer eine eigene Risikobewertung vornehmen. Katrin Bartel weist darauf hin, dass die Norm solche Einschätzungen verlangt und anerkennt, dass nicht alle Situationen durch feste Maße abgedeckt sind oder eine individuelle Beurteilung erfordern.

Wie können Eltern aktiv zur Sicherheit auf Spielplätzen beitragen?

Die Sicherheitserwartungen an Spielplätze sind extrem hoch, da Eltern ihre Kinder dort oft unbeaufsichtigt spielen lassen. Trotzdem, empfiehlt Katrin Bartel, sollten Eltern nicht blind auf die Sicherheit vertrauen, sondern den Spielplatz selbst überprüfen. Katrin Bartel empfiehlt eine Sichtprüfung vor dem Spielen, um nach Gefahren wie Scherben, defekten Geräten oder wackelnden Geländern Ausschau zu halten. Bei Auffälligkeiten sollte man die Kinder warnen und den Spielplatzbetreiber informieren. Eltern sollten aktiv die Geräte testen, besonders wenn ihre Kinder noch klein sind, und bei Bedenken den Spielplatz wechseln und den Betreiber benachrichtigen. Durch solche Meldungen können Eltern dazu beitragen, Spielplätze sicherer zu machen und Betriebsblindheit der Betreiber entgegenzuwirken, betont die Sicherheitsexpertin für Spielplätze.

Gefahr: Kinder nicht auf Spielgeräte hochheben!

Katrin Bartel warnt Eltern eindringlich davor, kleine Kinder auf für sie ungeeignete hohe Spielgeräte zu heben. Spielplätze und Geräte sind oft für bestimmte Altersgruppen konzipiert, wobei Kinder ab etwa drei Jahren ein gewisses Gefahrenbewusstsein entwickeln. Kleinere Kinder, die auf hohe Geräte gesetzt werden, sind Risiken ausgesetzt, da sie durch Geländer fallen oder von anderen Kindern aus Versehen umgestoßen werden könnten. Katrin Bartel betont, dass Kinder selbst entscheiden sollten, wann sie etwas erklimmen wollen, ohne von Eltern gedrängt zu werden. Die Unterstützung sollte darin bestehen, anwesend zu sein und das Kind zu ermutigen, aber es auch umkehren zu lassen, wenn es sich unsicher fühlt.

Warum sind die untersten Stufen an Klettergeräten oft so hoch?

Die erste hohe Stufe an Klettergeräten dient als Einstiegshindernis, um kleinere Kinder nicht unbeaufsichtigt auf große Geräte klettern zu lassen, erklärt Katrin Bartel. Dieses Design zielt darauf ab, die Kinder zu verlangsamen und sicherzustellen, dass sie beim Klettern immer genug Halt haben. Katrin Bartel betont: Die Norm soll nicht Kinder ausschließen, sondern Eltern die Möglichkeit geben, einzuschätzen, ob ihr Kind bereit ist, das Gerät zu nutzen und es gegebenenfalls zu unterstützen. Auf dem Spielplatz geht es darum, die motorischen Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein der Kinder zu fördern, nicht darum, sie einfach auf Klettergeräte hochzuheben.

Warum bleiben manchmal Spielplatzkontrollen trotz Normvorgaben aus?

Es ist den Menschen zwar klar, […] dass wir Spielplätze brauchen. Aber dass das für den Unterhalt einen gewissen Preis hat, das ist in den Köpfen häufig noch nicht so wirklich vorhanden.

Katrin Bartel

Trotz klarer DIN-Normen kommt es vor, dass Spielplätze unzureichend kontrolliert werden, manchmal mit langen Pausen zwischen den vorgeschriebenen Inspektionen. Das Hauptproblem liegt oft in den begrenzten finanziellen Mitteln der Gemeinden, die nicht ausreichen, um genügend Personal für die Überwachung und Instandhaltung der Spielplätze einzustellen, erklärt Katrin Bartel. Mit nur wenigen Prüfern für eine große Anzahl von Spielplätzen ist eine gründliche Kontrolle kaum möglich. „Es ist den Menschen zwar klar, dass wir Kinder haben, es ist ihnen auch klar, dass wir Spielplätze brauchen. Aber dass das für den Unterhalt einen gewissen Preis hat, das ist in den Köpfen häufig noch nicht so wirklich vorhanden.“, bedauert Katrin Bartel. Dies führt dazu, dass Inspektionen vernachlässigt werden und die Sicherheit auf den Spielplätzen nicht immer gewährleistet ist, obwohl das Bewusstsein für die Notwendigkeit sicherer Spielplätze grundsätzlich vorhanden ist.

Titel-Foto: Katrin Bartel kennt die Spielplatz-Norm aus dem Effeff. Sie ist erfahrene Spielplatzprüferin und bildet seit 2013 selbst Spielplatzprüfer aus. ©privat