Der erst kürzlich neu gestaltete Spielplatz „Krumme Lanke“ in Berlin Steglitz-Zehlendorf wirkt modern und farbenfroh. Dennoch wird er in einer großen Berliner Zeitung als „trist“ kritisiert und als „Spar-Platz“ tituliert. Und das, obwohl 440.000 Euro investiert wurden. Außerdem seien die Kinderwünsche „ganz anders“ gewesen und nicht berücksichtigt worden. Wie passt das zusammen? Wir haben bei Urban Aykal, dem zuständigen Stadtrat für Grünflächen, nachgefragt.

Herr Aykal, der neu gestaltete Spielplatz ist fertig. Eigentlich ein Grund zur Freude. Was sagen Sie zum vernichtenden Urteil in der Berliner Zeitung (B.Z.)?

Der Spielplatz ist gut besucht, und die Kinder spielen dort intensiv und voller Freude. Das ist es, was für mich zählt.

Urban Aykal

Dieser Artikel mit der Überschrift: „Warum muss ein neuer Spielplatz so trist aussehen?“ ist tatsächlich der einzige Artikel, der negativ über unseren neuen Spielplatz Krumme Lanke in der Argentinischen Allee geschrieben hat. Weder die lokale Presse (Morgenpost, Tagesspiegel, Berliner Abendblatt, Berliner Woche, Kurier), die hier in Steglitz-Zehlendorf gerade bei solchen Themen immer sehr engagiert ist, hat das aufgegriffen, noch gab es solch pauschale Kritik von den Nutzerinnen und Nutzern. Im Gegenteil. Insgesamt fällt die Resonanz sehr positiv aus. Der Spielplatz ist gut besucht, und die Kinder spielen dort intensiv und voller Freude. Das ist es, was für mich zählt.


Urban Aykal ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und seit einem Jahr Bezirksstadtrat für Ordnung,  Umwelt und Naturschutz, Straßen- und Grünflächen in Berlin Steglitz-Zehlendorf

Jedoch spielen die Kinder auf dem Spielplatz nicht, wie gewünscht, mit Piratenschiff und Geisterhaus. Sondern auf einem, wie es im besagten Artikel heißt, „minimalistischen“ Klettergerüst vom „Typ Betonsilo-Großsiedlung der 1970er-Jahre“. Die Diskrepanz scheint groß. Wie kommt das?

Ich nehme jede Kritik ernst und versuche die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. In diesem Fall lohnt es sich zunächst genauer hinzuschauen. Warum wurde der Spielplatz modern und minimalistisch gestaltet? Und wie sind die Wünsche der Kinder innerhalb dieser Gestaltungsidee trotzdem umgesetzt worden? Übrigens Piratenschiff und Geisterhaus war nur ein Wunsch unter vielen.

Gut, dann schauen wir genauer hin. Welche Gestaltungsidee liegt dem neuen Spielplatz zu Grunde?

Da hole ich geschichtlich etwas weiter aus. Das ist nämlich spannend. Der Spielplatz befindet sich im Umfeld eines Wohngebiets, das vor knapp 100 Jahren von dem berühmten Architekten Bruno Taut geplant und imBauhaus Stil gebaut wurde. Damals, wegen der bunten Häuser, im Volksmund als Papageiensiedlung verspottet, steht diese Siedlung in Berlin-Zehlendorf heute unter Denkmalschutz. Denn genau das Minimalistische, Farbenfrohe, Kubische, Funktionale in Bezug auf die Architektur war der Clou am Bauhausund hat den großen Erfolg dieses Stils ausgemacht.

Die Idee war also den Spielplatz architektonisch in das Wohngebiet zu integrieren?

Genau. Daher hat sich das Grünflächenamt für die kubischen Metall-Kletterquader in rot, gelb und blau im „Bauhaus“ Stil entschieden.

Das heißt jedoch nicht, dass wir die Wünsche der Kinder bei der Gestaltung ignoriert hätten, wie es fälschlicherweise im besagten Artikel steht. Im Gegenteil. Bereits im Dezember 2019 hat das Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf e.V. eine Beteiligung von Schülerinnen und Schülern eines sonderpädagogischen Förderzentrums durchgeführt.

40 Kinder von zwei dritten Klassen haben an zwei Workshop-Tagen aus Bastel- und Haushaltsmaterialien insgesamt sechs Spielplatz-Modelle in Gruppenarbeit entwickelt. Diese Modelle wurden ausgewertet. Und die Ideen der Kinder flossen in die Gestaltung des neuen Spielplatzes mit ein. Wer Interesse hat, kann das alles genau nachlesen, die Beteiligung ist online dokumentiert.

Ist es überhaupt möglich, all die verschiedenen Kinder-Ideen unter einen Hut zu kriegen?

Einfach ist es nicht. Aber generell versuchen wir natürlich so viel wie möglich umzusetzen. Und das war auch hier der Fall. Schauen wir uns beispielsweise zwei Modelle mal genauer an. 

Die Wünsche für die Spielgeräte in Modell 1 (Tag 1) … Seilbahn Sand, Schaukel, Trampolin, Reckstange, Rutsche… haben wir alle berücksichtigen können, inkl. Spielwiese und Stämme zum Verstecken. Das weitläufige Gelände mit der Wiese und den Bäumen bietet hier schöne Möglichkeiten. Den Wunsch nach einer Ruhe-Ecke mit Dach und Stühlen haben wir im Kleinkinder-Spielbereich aufgegriffen. Dort wurden eine – wenn auch kleine – überdachte Fläche sowie Sitzmöglichkeiten realisiert.

Beim Modell 2 (Tag 2) wird es schon schwieriger. Die Wünsche sind weniger offen und funktional, sondern sehr konkret formuliert und auch sehr umfangreich … Piratenschiff, Geisterhaus, Labyrinth, Bühne mit Dach, Rutsche mit Looping, Tunnel mit Höhle, Eisenbahn mit Tunnel, Boulder-Wand, Kletter-Kugel, Kletterparcours, Seile zum Schwingen, Kletterwand, Kletterröhre … die Neugestaltung eines Spielplatzes ist sehr teuer. Da sind solche riesigen Wünsche dann nicht 1:1 umsetzbar.

Dabei war das Spielplatz-Budget von 440.000 Euro gar nicht mal so klein …

Die investierte Summe war relativ hoch, das stimmt. Doch das Geld wird ja nicht nur für Spielgeräte ausgegeben, die den Nutzerinnen und Nutzern natürlich zuerst ins Auge fallen. Sehr viel Geld floss hier in die Garten- und Landschaftsarbeiten, denn der Spielplatz ist sehr großflächig. Allein in den Sportplatzbereich wurden ca. 70.000 Euro investiert – so ein Tartan-Belag ist sehr teuer. Auch die Wegeführung und vor allem der Fallschutz, die bis an die Spielgeräte heranreichen, haben viel Geld gekostet.

Wurde auch an inklusive Spielangebote gedacht? 

Ich will, dass wir zukünftig auf jedem Spielplatz in Steglitz-Zehlendorf mindestens ein Angebot für Kinder mit Behinderungen haben.

Urban Aykal

Ja. Der inklusive Ansatz war uns wichtig. Auch, weil das Förderzentrum einige Kinder mit Handicap besuchen, die diesen Spielplatz jetzt nutzen können. Zusätzlich bietet der Spielplatz nun ein rollstuhlgerechtes Trampolin, eine Drehscheibe zur Förderung der Sinneswahrnehmung sowie einen Bauchschwinger – eine Art Schaukel, die auch Kinder im Rollstuhl nutzen können.

Da hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Bisher war man in Deutschland immer auf Leistung fokussiert: Wer kann am weitesten hüpfen und springen? Wenn ein Kind mit Rollstuhl von draußen nur zugeschaut hat, wurde das gar nicht richtig wahrgenommen. Ich will, dass wir zukünftig auf jedem Spielplatz in Steglitz-Zehlendorf mindestens ein Angebot für Kinder mit Behinderungen haben.

Würden Sie sagen, hier ist alles perfekt gelaufen, es gibt gar keinen Grund für Kritik?

Nein, alles ist sicherlich nicht perfekt gelaufen. Wir übergeben ja nicht den Spielplatz und sagen: „Viel Spaß damit und Tschüss!“ Sondern wir beobachten das Ganze und nach drei bis sechs Monaten setzen wir uns mit den Kindern erneut zusammen und fragen, wie der Spielplatz in der Praxis ankommt. Ich war selbst schon vor Ort, um mit Eltern zu sprechen und mir ein eigenes Bild zu machen. Ich bin auch ehrlich. Da gibt es jetzt schon einzelne Dinge, die verbessert werden sollten.

Welche Dinge finden Sie verbesserungswürdig?

Wir brauchen beispielsweise mehr Sitzgelegenheiten auf dem Spielplatz – ein paar klassische Bänke mit Rückenlehne. Auch brauchen wir noch mehr Schattenflächen. Dazu müssen wir uns dringend Gedanken machen, und zwar für alle Berliner Spielplätze. Wir können die tollsten und die schönsten Spielplätze bauen. Aber wenn die nicht zum Teil im Schatten sind, dann werden diese Spielplätze in den nächsten Jahren im Sommer nicht benutzt werden können. Ich werde das Thema groß auf die Agenda in der Spielplatzkommission setzen. Ab 2023 will ich dazu unterschiedliche Maßnahmen haben, die wir sukzessive umsetzen können. Wir brauchen da verschiedene Ideen.

Außerdem ist mir in der Auswertung der Beteiligung aufgefallen, dass sich viele Kinder eine Nestschaukel gewünscht hatten, die nicht gebaut wurde. Die Nestschaukel hat den Vorteil, dass mehrere Kinder gemeinsam schaukeln können. Eine Kleinkindschaukel im Kleinkindbereich wäre ebenfalls sinnvoll.

Wie konnten die Schaukeln trotz Spielplatzbeteiligung übersehen werden?

Das habe ich mich auch gefragt. Deshalb habe ich die Kritik der Zeitung zum Anlass genommen, um den Beteiligungsprozess noch einmal nachzuvollziehen – dieser fand ja bereits vor meiner Zeit statt, ich bin erst seit 12 Monaten im Amt. Dabei ist klar geworden, dass die Workshops damals stattfanden, kurz bevor die ganze Sache mit Corona losging. Im März 2020 wurden dann plötzlich die Schulen und Spielplätze geschlossen, Sie erinnern sich. Die Verwaltung stand mit dem Homeoffice vor großen Herausforderungen, das Chaos brach aus und niemand wusste zu dem Zeitpunkt, was da auf uns zukommt.

Dieser 1-2-3-Torschaukel mit dreifach Schlauchsitz gehört mit zum Spielangebot auf dem Spielplatz Krumme Lanke. Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

Wie sehr hat die Spielplatzbeteiligung unter Corona gelitten?

Normalerweise denken wir Spielplatzbeteiligung in vier Stufen. Und alle vier Stufen sollten durchlaufen werden, damit die Stimmen der Kinder sicher Gehör finden.

Urban Aykal

Während Corona ist es uns nicht gelungen, die vierzig Schülerinnen und Schüler für ein erneutes Treffen zusammenzubringen. Da waren andere Dinge wichtiger. Und so ging der Spielplatz in die konkrete Bauphase, ohne dass der Spielplatz-Entwurf vorher noch einmal mit den Kindern besprochen wurde. Deshalb sind die fehlenden Schaukeln wahrscheinlich niemandem aufgefallen. Normalerweise denken wir Spielplatzbeteiligung in vier Stufen. Und alle vier Stufen sollten durchlaufen werden, damit die Stimmen der Kinder sicher Gehör finden. Während der Abstimmungsprozesse zwischen dem Grünflächenamt, das für Planung und Bau zuständig ist und dem Kinder- und Jugendbüro, das die Kinder-Beteiligungen durchführt, dürfen keine Kinderwünsche verloren gehen.

Wie sehen diese vier Stufen der Spielplatzbeteiligung konkret aus?

Stufe 1

Zunächst ermitteln wir, welche Kinder zukünftig den Spielplatz besuchen werden. So lässt sich sicherstellen, dass wir alle relevanten Ziel- und Altersgruppen mit der Beteiligung erreichen. Ich denke, es wäre spannend gewesen, zusätzlich zu den dritten Klassen jüngere Kinder mit ins Boot zu holen. Außerdem sollte die Beteiligung vor Ort auf dem Spielplatz stattfinden. Weil es bei der Spielplatzgestaltung nicht nur um die Spielgeräte geht, sondern auch um den Bewegungsraum und die Frage: Wie bewegen sich Kinder auf dem Spielplatz?

Stufe 2

Gemeinsam mit den Kindern werden die Rahmenbedingungen besprochen – auch die finanziellen Rahmenbedingungen – und dann geht es in die kreative Arbeit (Zeichnungen, Modelle bauen, Brainstorming). Ich bin kein Pädagoge, aber vielleicht hätte man in diesem Fall über die Besonderheit der Bauhaus Siedlung sprechen können? So hätten die Kinder das gesamte Wohngebiet wahrnehmen und ihren Horizont erweitern können. Das ist ja eigentlich ein Schatz, mit dem sich arbeiten lässt.

Stufe 3

Mit den kreativen Workshop-Ergebnissen gehen die Spielplatzplanerinnen und -planer an die Arbeit. Sobald die Vorplanung für den Spielplatz steht, kommt man erneut mit den Kindern zusammen – am besten wieder auf dem Spielplatz – und bespricht den Spielplatz-Entwurf. „So stellen wir uns das vor. Ist das in eurem Sinne?“ Gibt es große Unstimmigkeiten, wird seitens der Planerinnen und Planer nachgebessert. Aber sicherlich wird sich auch nicht jeder einzelne Wunsch in der Umsetzung wiederfinden. Kinder erfahren auf diese Weise, dass sie einerseits aktiv Einfluss nehmen können. Andererseits lernen sie, dass demokratische Entscheidungen eben auf der Basis von Mehrheiten getroffen werden.

Stufe 4

Das A und O einer Beteiligung ist die Evaluation. Denn so ein Beteiligungsprozess ist nicht nach Fertigstellung des Spielplatzes abgeschlossen. Nun gilt es zu überprüfen, inwieweit die Ergebnisse den Praxistext bestehen. Die Verantwortlichen sollten sich daher immer Zeit nehmen, die Ergebnisse ein paar Monate im Detail anzuschauen und mit den Kindern erneut zu besprechen. Auch beim Spielplatz in der Argentinischen Allee werden wir das so machen. Das Gelände ist sehr groß. An der ein oder anderen Stelle, werden wir da sicher nachbessern.

Vielen Dank, Herr Aykal, für dieses interessante Gespräch und für die Einblicke hinter die Spielplatz-Kulissen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit! Wie gefällt euch der neue Spielplatz Krumme Lanke in Berlin? Probiert ihn aus und lasst gerne eine Bewertung auf Spielplatztreff da.

Titel-Foto: Der Spielplatz „Krumme Lanke“ in Berlin Steglitz-Zehlendorf wurde mit modernen Spielgeräten ausgestattet. ©Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf