Was tun, wenn mein Kind andere Kinder nicht schaukeln lässt? Wenn es sich an der Rutsche ständig vordrängelt? Oder wenn es am Ende des Tages nicht mit nach Hause gehen will? Auch zu diesen klassischen Spielplatzkonflikten steht uns die Familienbegleiterin, Erziehungsberaterin und Buchautorin Inke Hummel wieder Rede und Antwort. Zudem stellen wir euch ihr neues Buch „Nicht zu streng, nicht zu eng“ vor. Und wir freuen uns, drei Exemplare dieses besonderen Eltern-Ratgebers an euch verlosen zu dürfen.

Hallo Inke, auf zu Runde zwei! Wir sind schon ganz gespannt auf deine wertvollen Tipps.

Sehr gerne! Es freut mich, wenn ich mit meinen Tipps zu bindungs- und beziehungsorientierten Konfliktlösungen dazu beitragen kann, Eltern zu mehr Handlungssicherheit zu verhelfen. Denn ich wünsche mir, dass so viele Familien wie möglich von starken Bindungen zu ihren Kindern profitieren.

Sehr schön! Dann direkt mal zum ersten klassischen Spielplatzkonflikt: Mein Kind lässt andere Kinder nicht rutschen. Was rätst du in einer solchen Situation? 

Inke Hummel
Pädagogin und Familienberaterin Inke Hummel, Foto: privat

Im letzten Beitrag haben wir ja die Frage nach dem Teilen des Sandspielzeuges beantwortet und festgehalten, dass das Kind nicht dazu gedrängt werden sollte, sein Sandspielzeug auf dem Spielplatz zu teilen. Bei der Schaukel sieht die Sache etwas anders aus. Während das Sandspielzeug dem Kind gehört, ist die Schaukel auf dem Spielplatz Allgemeingut. Und da sollte man dann schauen, dass das Kind die Schaukel gemeinsam mit anderen Kindern nutzt. Ich würde dazu raten, das Kind in so einem Fall miteinzubeziehen und es dazu anzuhalten, sich mit anderen Kindern abzuwechseln.

Was mache ich, wenn mein Kind sich weigert die Schaukel freizugeben? 

Wenn sich das Kind dagegenstellt und nicht schafft, die Schaukel im Wechsel mit anderen Kindern zu nutzen, sind eindeutig die Eltern gefragt. Sie sollten die Situation in einem solchen Fall regeln und auch den Unmut des Kindes aushalten. Wichtig dabei ist, dem Kind zu signalisieren: “Du darfst auf mich wütend sein. Ich bin für dich da und mag dich immer noch. Trotzdem müssen wir uns hier mit anderen Kindern abwechseln. Denn die Schaukel gehört nicht dir allein.“

Wenn gar nichts hilft, würde ich das Kind von der Schaukel nehmen. Und dies ist in diesem Fall überhaupt nicht übergriffig dem Kind gegenüber, denn das Kind kann in dem Moment nicht anders. Und da ist es als Erwachsener meine Pflicht, dem Kind aus der Situation herauszuhelfen. Auch wenn es dann tobt und deutlich seinen Unmut zeigt, bleibe möglichst liebevoll, zugewandt und vermeide zu schimpfen. Dass man das im Alltag nicht immer schafft, ist aber natürlich normal.

Okay… Was würdest du raten, wenn sich diese Situation bei einem Kind ständig als schwierig herausstellt? 

Wenn ich merke, dass mein Kind diesbezüglich jedes Mal Probleme hat, dann würde ich schauen, dass ich die Spielplatzbesuche reduziere, um sich nicht jeden Tag diesem Stress auszusetzen. Dennoch würde ich zwischendurch mal wieder einen Spielplatz aufsuchen, damit das Kind üben kann, mit diesem Konflikt umzugehen. 

Spielplatz Spielhaus mit Rutsche
Als die Kinder von Erziehungsberaterin Inke Hummel noch kleiner waren, gehörte der Spielplatz an der Bastei in Bonn Rüngsdorf zu ihren Lieblingsspielplätzen. Der liegt direkt am Rhein, in einem Park, am Restaurant Bastei, und hat für jedes Alter etwas zu bieten. Die großen Kinder können im Park mit ihrem Rad fahren oder Fußball spielen. Foto: Spielplatztreff.de

Ansonsten würde ich als Alternative einen Spielplatz empfehlen, der weniger besucht ist, damit das Kind so lange schaukeln kann, wie es möchte.


Schöne Spielplätze in ganz Deutschland findest du auf Spielplatztreff.


Gerade ist dein neuester Eltern-Ratgeber: „Nicht zu streng, nicht zu eng“ erschienen. Worum geht es in dem Buch?

Nicht zu streng, nicht zu eng

Bindung, Beziehung und Bedürfnisse – das sind die Themen, die vielen Eltern heute bei der Erziehung ihrer Kinder am Herzen liegen. Doch oft finden Eltern hierbei nicht das richtige Maß zwischen Überbehüten und Härte. In meinem neuen Buch „Nicht zu streng, nicht zu eng“ vom humboldt Verlag (ISBN: 978-3842616622)* zeige ich an konkreten Alltagssituationen, welche elterlichen Reaktionen schaden und welcher Erziehungsweg perfekt zum jeweiligen Kind passt.


Wir verlosen drei Buch-Exemplare!

Wer vom 24. – 27.2.2022 einen Spielplatz auf Spielplatz bewertet oder einträgt, wandert in den Lostopf. +++ Die Aktion ist beendet +++ Gewonnen haben die Spielplatztreff-User „Salmopete“ aus Schwabach, „blecheimer“ aus Hilgert und „Pollicis“ aus München. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!! Und vielen Dank für’s Mitmachen – auch allen anderen, die nicht gewonnen haben! 🙂


Das richtige Maß zu finden, ist nicht nur in Konfliktsituationen eine Herausforderung …

Da stimmt. In meinen Beratungen habe ich oft erfahren, dass viele Eltern sich heutzutage ganz bewusst entscheiden, nicht autoritär sein zu wollen. Nicht so distanziert, sondern sehr in Beziehung mit ihren Kindern gehen wollen. Und dass das ganz häufig ins Gegenteil umschlägt, so ins Verwöhnende, Überbehütende. Und genau da setzt das Buch an. Ich möchte Eltern helfen in eine Balance zu kommen und in die Mitte der beiden Pole: „Nicht zu streng“ bedeutet in diesem Falle „nicht zu autoritär“ und „nicht zu eng“, dass man den Kindern alles abnimmt und ihnen im Prinzip nichts zumutet.

In dem Buch schaue ich mir, zusammen mit dem Lesenden an, was es tatsächlich für die Entwicklung des Kindes in den ersten sechs Jahren bedeutet, wenn es entweder ausschließlich autoritär, beziehungsorientiert oder zu überbehütend begleitet wird. Und auf welchem Stand das Kind dann im Schulalter bei der jeweiligen Begleitung steht. Denn die ersten sechs Jahre sind enorm wichtig und prägend – in diesem Zeitraum manifestiert sich eine Bindungssicherheit oder eben nicht.


Rechtspfeil

In diesem Livestream auf YouTube könnt ihr euch die Premierenlesung von Inke Hummel zu ihrem Buch “Nicht zu streng, nicht zu eng” vom 24.02.2022 in Hannover anschauen. 


Das klingt nach hilfreichem Lesestoff! Zurück zum nächsten Spielplatzkonflikt: Mein Kind drängelt sich an der Rutsche vor. Was tun?

Da würde ich sehr individuell drauf schauen und erstmal gucken, welche anderen Kinder da sind und ob die Kinder den Konflikt alleine lösen können. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass mein Kind kein anderes Kind verletzt. Wenn dies nicht der Fall ist, würde ich die Sache erstmal so laufen lassen. Normalerweise wird mein Kind nach einer Weile irgendeine Gegenwehr der anderen Kinder zu spüren bekommen und dies wiederum ermöglicht den Kindern den Konflikt unter sich zu lösen.

Also, in jedem Fall eher die Kinder das alleine regeln lassen als sich einzumischen?

Auf jeden Fall ist es immer besser, wenn die Kinder solche Spielplatzkonflikte unter sich lösen. Und dafür liefert der Spielplatz die perfekten Voraussetzungen, denn dort treffen verschiedene Altersgruppen aufeinander, die in solchen Konfliktsituationen ganz unterschiedlich reagieren: So wird zum Beispiel in einer Konfliktsituation mit einem jüngeren Kind, was eventuell weint, eher das Mitgefühl angesprochen, während in einem Konflikt mit einem älteren Kind der soziale Druck höher ist, weil das ältere Kind ebenfalls auf seiner Meinung beharrt. Kinder lernen von anderen Kindern oder im Zusammenhang mit anderen Kindern am effektivsten und am nachhaltigsten. Aber Achtung, man sollte immer nah am Kind sein, um solche Situationen auch mitzubekommen und einschätzen zu können, so dass man notfalls gut eingreifen kann.

Mädchen klettern Rutsche hoch
Die Rutsche hochzuklettern, anstatt sie herunterzurutschen, ist ein beliebtes Spiel. Das kann jedoch auch schnell zu Konflikten führen. Foto: Ana Klipper / unsplash.com

Was sollte ich tun, wenn ich merke, dass die Kinder es nicht schaffen den Spielplatzkonflikt unter sich zu regeln?

Dann sollte ich mich einmischen und den Kindern so aus der Konfliktsituation helfen. Und auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Naheliegend wäre zunächst mit dem Kind zu reden, es für das Problem zu sensibilisieren und die Streitsituation zu erklären. Man könnte aber auch allgemeiner bleiben und ein bisschen Polizei spielen, indem man sagt: “Wie regeln wir das hier?“ Wenn gar nichts hilft, bleibt nichts anderes übrig, als das Kind aus der Situation zu nehmen.

Es gibt natürlich auch die Konfliktsituationen, in denen die Eltern der anderen Kinder gereizt reagieren. Und dadurch bekommt man dann plötzlich das Gefühl, eingreifen zu müssen, obwohl man den Konflikt sonst hätte laufen lassen. In solchen Situationen würde ich dann auch nicht auf der Bank sitzen bleiben und dabei zuschauen, wie sich drei wütende Eltern auf mein Kind stürzen. Um so etwas zu vermeiden, würde ich versuchen, eher eine Stufe vorher einzugreifen.

Und zu guter Letzt wirklich ein absoluter Klassiker: Mein Kind möchte nicht nach Hause. Wie gehe ich am besten mit einem solchen Eltern-Kind-Konflikt um?

Ein sehr schöner Punkt, denn das ist wirklich tägliches Brot bei vielen. Und ich weiß auch, dass ich es persönlich bei Spielbesuchen bei Freunden der Kinder als sehr herausfordernd empfunden habe, wenn meine Kinder nicht mit nach Hause wollten. Ich stand dann immer schon in Jacke in der Tür und die Kinder kamen nicht. Das ist wirklich blöd.

Aber auch da kann man nur versuchen, die Situation bzw. das Problem zu erklären oder einen Kompromiss zu schließen, wie zum Beispiel: „Eine Runde geht noch“ oder zu fragen „Wie oft möchtest du noch rutschen?“. Das wäre auf jeden Fall ein Versuch eine solche Situation aufzufangen.

Sehr guter Ansatz. Und was mache ich, wenn mein Kind trotz aller Bemühungen stur bleibt?

Wenn alle Bemühungen erfolglos bleiben, eventuell, weil das Kind nicht loslassen kann oder vor Hunger oder Müdigkeit nicht mehr entscheiden kann, ist es auch legitim, sich das Kind unter den Arm zu klemmen und es so aus der Situation herauszuholen. Dann muss man zwar aushalten, dass diese Maßnahme auf Protest seitens des Kindes stößt, aber man ist als Elternteil dann auch in der Pflicht, die Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen.

Ein Kind schaukelt voller Freude
„Ich will noch schaukeln. Ich will noch nicht nach Hause!!!“ Was tun, wenn mein Kind kein Ende findet? Foto: Olivia Bauso / unsplash.com

Also, auch über den Kopf des Kindes hinweg…

Ja! Verantwortung in schwierigen Situationen zu übernehmen ist wichtig und sollte wirklich im Fokus stehen: Die letztendliche Verantwortung liegt bei uns Eltern. Viele Eltern fangen in solchen schwierigen Konfliktsituationen an zu drohen. Androhungen wie:“ Wenn du nicht kommst, dann gehe ich ohne dich!“ hört man im Zuge dessen nicht selten. Aber wenn ich drohe, übergebe ich die Verantwortung auf eine sehr blöde Art meinem Kind. Bei manchen Kindern löst das Angst aus und sie parieren dann auf diese Angst. Manche reagieren aber auch mit Trotz und Gegenwehr. Wenn ich also drohe und das Kind entgegnet mir:“ Ja, okay, dann geh doch.“, habe ich auch nichts gewonnen. Ziel der Kommunikation sollte sein, die vertrauensvolle Basis zwischen Eltern und Kind auch in Konflikten nicht zu zerstören.

Wie genau setze ich das um bzw. was gibt es zu beachten

Wichtig ist, auch wenn es schwierig wird bei sich zu bleiben und zu erkennen: Ich bin der Erwachsene, der die Situation und mögliche Konsequenzen überblicken kann. Mein Kind kann es gerade nicht. Es weiß nicht, dass wir zum Beispiel den Bus nicht bekommen, wenn wir jetzt nicht gehen. Oder es mit dem Essen zu spät wird und dann das zu Bett gehen nicht funktioniert und es dann infolgedessen morgens schwierig wird etc.

Da ist es dann meine Aufgabe als Elternteil abzuwägen, ob man noch eine halbe Stunde länger bleiben kann, weil das Kind es immer ganz gut hinbekommt oder, ob es den klaren Rhythmus braucht und länger bleiben fatal wäre. Wenn dies der Fall ist, muss ich die Verantwortung übernehmen, das Kind begleiten und es mitnehmen. Und dazu gehört auch, die Reaktion des Kindes auszuhalten. Viele Kinder reagieren auf dieses „Eingreifen“ mit Wut. Bei manchen dauert die Wut zehn Minuten, bei anderen zwei Stunden. Das muss ich einplanen und akzeptieren. Um nicht jedes Mal in diesen Konflikt zu kommen, sollte ich mir überlegen, was man beim nächsten Mal im Ablauf ändern könnte, um diese schwierige Situation zu umgehen.

Vielen Dank, Inke Hummel, für dieses spannende Interview und die hilfreichen Tipps. Welche Erfahrungen habt ihr mit Spielplatzkonflikten gemacht? Berichtet gerne in den Kommentaren.

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Titel-Foto: Ana Klipper / unsplash.com


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