Seit Mai 2021 ist der neue Spielplatz am Tollensesee in Neubrandenburg fertig. Ein ganz besonderer Spielort und Treffpunkt ist es geworden. Nicht nur ein Hingucker, sondern ein Ort, der ein Stück regionaler Geschichte lebendig werden lässt und alle Generationen miteinander verbindet. 

Es ist eine ziemlich große Herausforderung, einen Spielort und Treffpunkt zu erschaffen, der zum Klettern und Verweilen anregt – und zwar gleichermaßen für Kinder ab acht Jahren, für Jugendliche, junge Erwachsene und für Senioren. Einen Platz, der Sportangebote bereithält, Erholungsort ist und sich harmonisch in die schöne einmalige Umgebung des Kulturparks am Tollensesee in Neubrandenburg einbettet.

Alles in Handarbeit

„Am Ende sind wir unheimlich stolz auf das Geschaffte. Die Resonanz ist großartig – der Spielplatz ist immer vollbesetzt.“ freut sich Jana Wolf, Beton- und Mosaikkünstlerin aus Mecklenburg, über ihr jüngstes abgeschlossenes Spielplatz-Werk. Sie hat nicht nur die Herausforderung angenommen und das geniale Konzept für den neuen Rethra-Spielplatz am Tollensesee entwickelt, sondern gleich selbst drei Monate lang bei der Umsetzung Hand angelegt und gemeinsam mit ihrem Team Stahl geflochten sowie Beton geschippt, gespritzt und geformt.

Ich versuche, meinem eigenen künstlerischen Anspruch gerecht zu werden. Und gleichzeitig möchte ich eine aufregende, möglichst vielseitig zu bespielende Spielfigur erschaffen.

Jana Wolf, Mosaikkünstlerin

Spielskulpturen sind die Spezialität der Spielplatz-Gestalterin. Damit verleiht Jana Wolf ihren Spielplätzen ein zeitloses, unverwechselbares Gesicht, verbindet Spiel- und Erlebniswert mit künstlerischem Ausdruck: “Das finde ich, ist die größte Herausforderung an meinem Job: ich versuche, meinem eigenen künstlerischen Anspruch gerecht zu werden. Und gleichzeitig möchte ich eine aufregende, möglichst vielseitig zu bespielende Spielfigur erschaffen. Wenn die Prüfung durch die kleinen und großen Nutzer geschafft ist und die Kinderaugen leuchten, dann ist das ein ganz besonderes Glück für mich.“, sagt Jana Wolf.

Die Idee – Rethra Mythos am Tollensesee

Inspirieren lässt sich die Künstlerin von dem verwunschenen Ort unter den alten hohen Eichen und der mythologischen Sage der versunkenen Rethra-Stätte im Tollensesee. Nur wenige kennen die Geschichte, nach der sich die Redarier (ein westslawischer Stamm) erstmals im Jahr 929 am Ufer des Tollensesees ansiedelten und zu Ehren ihres Gottes Svarozics ein Heiligtum bauten – die Rethra-Stätte. 

Spielplatz Skizze
Der Kopf des Slawen-Gottes als riesiges Klettergerät, Konzept-Skizze Jana Wolf

Dazu passend bildet der vier Meter hohe Kopf des Slawen-Gottes mit seinen vier Gesichtern nach den vier Himmelsrichtungen den Mittelpunkt und die Attraktion des neu gestalteten Spielplatzes.

Kletteranlage
So sieht die fertige Kletteranlage auf dem Rethra-Spielplatz aus. Foto: Günter Knop

Eine 20 Meter lange Balancier-Strecke führt vom Kopf über die weiße Hand des Gottes hin zu den Zwillingsköpfen – eine freikünstlerische Nachbildung von Jana Wolf zu den im Tollensesee gefundenen Prillwitzer Idolen (ein Dutzend altslawische Bronzeskulpturen und bronzene Reliefplatten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts).

Das Mitmachprojekt – der Rethra-Pavillon

Der Pavillons des Spielplatzes – ein Treffpunkt für Jugendliche und Erwachsene zum Grillen und Chillen – entsteht sogar im Rahmen eines Mitmach-Kunstprojektes. Dafür werden Anwohnerinnen und Anwohner per Aushang eingeladen und einige kommen, darunter Jugendliche, Großväter mit Enkeln, Mütter und Kinder. 

Trotz schwieriger Bedingungen (kaltes Aprilwetter, Corona-Auflagen) trifft sich die Gruppe drei Wochen lang regelmäßig am Spielplatz, beschäftigt sich mit Slawischer Mythologie, philosophiert und grübelt über Kultstätten, zeichnet, formt, schnitzt… sogar ein Besuch im Regionalmuseum Neubrandenburg ist, trotz strenger Corona-Auflagen möglich, um sich Anregungen für die Umsetzung zu holen. 

Es war wunderbar, nach so langer Zeit und den vielen Corona-Einschränkungen, mal wieder was mit anderen Menschen zu machen, wieder gemeinsam lachen zu können.

Melanie, Workshop-Teilnehmerin
Melanie (rechts) hat ihre Freude an der Holzschnitzerei entdeckt und gestaltet die Reliefs. Foto: TJF Rauch

Melanie ist eine der Workshop-Teilnehmerinnen. Eigentlich tätig in der Gastronomie, hat sie durch die Corona-Zwangspause viel Zeit über den Winter und ist von dem Projekt sofort angetan: „Die Intention, das Alte aus der Slawenzeit mit dem neuen Spielplatz-Projekt zu verbinden, hat mir total gefallen.“ Als ich sie anrufe und nach ihren Erfahrungen frage, sprudelt es vor Begeisterung nur so aus ihr heraus: „Mir hat das Projekt unheimlich viel Spaß gemacht. Es ist einfach schön, etwas mit meinen Händen zu schaffen und hinterher die Ergebnisse zu sehen. Ich durfte mich von Tag eins an herantasten, alles ausprobieren, eigene Ideen entwickeln… Es war das erste Mal, dass ich Holzschnitzwerkzeug in den Händen hielt und es hat erstaunlich gut funktioniert.“ 

Eines von Melanies selbstgeschnitzten Holzreliefs. Foto: Melanie privat

Melanie interessiert sich für Geschichtliches und hat während des Workshops viel Freude daran, sich auf der Suche nach Motiv-Ideen für die Holz-Reliefs intensiv mit der Slawenzeit zu beschäftigen. Außerdem, sagt sie, „war es wunderbar, nach so langer Zeit und den vielen Corona-Einschränkungen, mal wieder was mit anderen Menschen zu machen, wieder gemeinsam lachen zu können. Das tat mir richtig gut!“

Die Sage in Bildern erzählt

Schritt für Schritt wird der Pavillon zu einer Rethra-Kultstätte umgewandelt. Es entstehen verschiedene Reliefs in Anlehnung an die slawische Mythologie. Radegast (die Hauptgottheit der Redarier), Tiermasken (die zum religiösen Kult der Redarier gehörten), sowie heilige Artefakte und Trophäen. Auch Totenköpfe und Tierschädel werden dargestellt. 

Geschnitzte Reliefs
Kunstvoll und mit Liebe zum Detail gestaltet – der Pavillon auf dem Rethra-Spielplatz am Tollensesee. Foto: Melanie privat

Jana Wolf ist glücklich über die Ergebnisse: „Ich hatte diese Workshop-Idee schon sehr lange in der Schublade und freue mich riesig, dass wir das, Dank der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Markus Hengefeld von der Stadtverwaltung, dem Planungsbüro Jan Lüders, dem Tollense GaLaBau und durch die Unterstützung unseres Oberbürgermeisters Silvio Witt, tatsächlich umsetzen konnten. Herzlichen Dank auch für die tolle Arbeit an alle Workshop-Teilnehmerinnen und -teilnehmer sowie an das Team: Dirk, Stephan, Josi, Paul, Maik, Yolanda, David und Antonin.“  

Pavillon Rethra Spielplatz
Der fertige Pavillon ist schön anzusehen und zieht alle in seinen Bann. Foto: Günter Knop

Vorher führte dieser Spielplatz eher ein Schattendasein im wahrsten Sinne des Wortes. Heute ist das anders.

Markus Hengefeld, Stadt Neubrandenburg

Auch Markus Hengefeld, Auftraggeber und Landschafts- und Freiraumplaner der Stadt Neubrandenburg, ist begeistert von der neuen Spiel- und Begegnungsstätte am Tollensesee und erstaunt, wie viele Menschen den neuen Spielplatz seit dem Umbau auf der beschatteten Fläche nutzen: „Vorher führte dieser Spielplatz eher ein Schattendasein im wahrsten Sinne des Wortes. Die Leute zogen lediglich vorbei in Richtung Strand am Tollensesee. Heute ist das anders. An den Spiel- und Sportgeräten treffen sich nun oft auch Gruppen zur gemeinsamen körperlichen Betätigung, die dann unter dem Gründach des Pavillons nach dem Sport ausruhen können. Wie ich festgestellt habe, bietet das begrünte Dach selbst bei größter Hitze ein angenehmes Klima. Es freut mich, dass das Konzept des ersten richtigen Mehr-Generationen-Spielplatzes in der Stadt aufzugehen scheint.“


Schau dir den fertigen Rethra-Spielplatz im Video an:


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