Katia Saalfrank, vierfache Mutter, Diplompädagogin und bekannt aus der RTL Sendung „Die Super Nanny“ verrät, wie wichtig eine „gute“ Eltern-Kind-Beziehung ist, um Spielplatz-Konflikte wertschätzend zu lösen.  

Frau Saalfrank, welcher Typ sind Sie: eher gemütlich auf der Bank chillen oder die Kinder beim Spielen begleiten?

Saalfrank: Das eine schließt ja das andere nicht aus. Kinder wollen eigenständig sein und gehen neugierig in die Welt – ab und zu brauchen sie dabei Rückversicherung auch Unterstützung und natürlich auch gemeinsames Spiel mit Mama oder Papa, wenn mal kein Spielfreund da ist.

Aber grundsätzlich bin ich der Meinung: Elternschaft heißt nicht, permanent in Habachtstellung zu sein und misstrauisch jeden Schritt zu beäugen. Elternsein heißt auch mit Begeisterung und Freude zu sehen, wie wunderbar sich unsere Kinder ohne unsere ständigen Bemühungen und unser unermüdliches elterliches aktives Zutun entwickeln und ins Leben gehen.

Auf einem guten Spielplatz können Kinder sich frei bewegen, spielen, explorieren und sich ausprobieren, ohne dass sie ständig auf die Unterstützung ihrer Eltern zurückgreifen müssen. Dann können sich Eltern auch mal zurücklehnen und entspannen. Denn sie werden für diese Spielzeit quasi überflüssig und können sich aus dem Hintergrund an ihren Kindern freuen. 

Sobald jedoch ein Streit um Schaufel und Eimer entbrennt, ist die gute Stimmung dahin und wir Eltern werden nervös. Es braucht Fingerspitzengefühl, um in Konflikten angemessen zu reagieren. Haben Sie einen Tipp für Eltern?

Vielleicht hilft es Eltern zu wissen, dass kleine Kinder erst noch die Bedeutung von „dein“ und „mein“ entdecken. Sie bestehen darauf, dass sie etwas haben, das nur ihnen gehört. Und sie selbst möchten entscheiden, ob sie es abgeben oder auch nicht. Vor diesem Hintergrund gelingt es, Konflikte zwischen Kindern besser einzuordnen und zu verstehen, das solche Situationen auch wichtige Schritte in der kindlichen Entwicklung sind.

Schwierig wird es, wenn Eltern die Grenze von außen setzen. Wenn sie also nur auf einfache Verhaltensregeln im Umgang miteinander pochen. Reißen in einer solchen Streitsituation die Eltern ihrem Kind einfach die Schippe aus der Hand, schimpfen es aus, bekräftigen das Verbot und verbieten noch einmal mit der Schippe zu hauen, haben die Eltern zwar eine Grenze von außen gesetzt. Konstruktiv und wertschätzend dem Kind gegenüber ist das jedoch nicht. Denn die Botschaft der Eltern zum eigenen Kind lautet: Ich will, dass du meine Grenze respektierst, deine aber überschreite ich – sie ist weniger wert, als meine!

Über welche Grenzen reden wir?

Die Grenzen, die ich meine, sind das, was jeder Mensch für sich selbst setzt. Und zwar nicht, um den anderen einzuschränken oder zu begrenzen, sondern um die eigene Haltung deutlich zu machen. Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir Erwachsenen uns unserer eigenen Grenzen und Haltungen bewusst werden. Damit wir selbst wissen, was wir wollen, und damit wir das dann auch vertreten können. Es geht eben nicht darum, dass wir Zäune aus Maßregelungen flechten (Gib deine Spielsachen ab!), dass wir Kinder „eingrenzen“ (Du darfst nicht hauen!) oder dass wir Wände aus elterlichen Verboten bauen (schubsen tut man nicht!).

Wenn es nicht um Maßregelungen geht, worum geht es dann?

Vielmehr geht es um die Frage: wie können wir uns positionieren ohne die Grenze des anderen zu verletzen? Umso wichtiger ist es, dass wir Eltern da Alternativen zeigen und nicht nur Verbote aufstellen. Es ist besser, wenn die Kinder Grenzen eher dadurch erleben, dass Eltern sich positionieren: „Ich möchte nicht, dass du haust. Was ärgert dich so?“ Oder: „Wenn du schubst, dann kann sich der andere verletzen. Das will ich nicht!“ 

Der eigentliche Kernpunkt ist, dass wir vor allem eine positive, stabile Beziehung zu unseren Kindern entwickeln. Also nicht die Durchsetzung unserer Ziele in den Mittelpunkt stellen, sondern die Beziehung zum Kind.

Warum ist eine gute Eltern-Kind-Beziehung so wichtig?

In einer vertrauensvollen und offenen Beziehung wird jeder mit seinen Bedürfnissen und Wünschen gehört. Darauf sollten wir das Augenmerk legen. Dann gelingt es uns Eltern auch eher, uns selbst mit unseren Grenzen zu zeigen, also persönlich zu werden und authentisch zu sein. So erfahren Kinder: Der andere hat an dieser Stelle eine Grenze und schlussfolgern daraus: Auch ich habe also Grenzen und darf diese (nach dem Vorbild meiner Eltern) deutlich machen. Wenn sich zum Beispiel ein Kind ständig an der Rutsche vordrängelt und ich das nicht möchte, ist hier meine Grenze erreicht und ich muss das mit dem Kind klären. Menschen und ihre Grenzen werden für andere übrigens auch durch das Äußern ihrer Gedanken und dem Zeigen ihrer Emotionen sichtbar.

Hat das Konzept der herkömmlichen Erziehung tatsächlich ausgedient

„Erziehung“ ist ein Wort, das stets ein Adjektiv mit sich führt: gute Erziehung oder eben schlechte Erziehung. Durch diese Wertung fühlen auch wir Eltern uns angesprochen. Sind wir „gute Eltern“, dann sind die Kinder gut erzogen. Wenn die Kinder als „schlecht erzogen“ wahrgenommen werden, dann sehen wir als Eltern uns auch dieser negativen Bewertung ausgesetzt. Das macht viel Druck bei Eltern. In der Erziehung wird die Beziehung oft belastet.

In der Erziehung wird die Beziehung also oft belastet. Kontrolle, Bevormundung, Strafen führen dazu, dass oft beide, Eltern und Kinder, unglücklich zurückbleiben. Das Erziehungsziel, dass Kinder vor allem gehorsam sein sollen, verfolgen viele Eltern heute nicht mehr. Sie wollen, dass Kinder glücklich, eigenständig und selbstbewusst aufwachsen können. Das gelingt, wenn Eltern eine konstruktive, gleichwertige Beziehung zu ihren Kindern eingehen können.

Das Konzept der Erziehung ist entstanden, weil die Menschen dachten, dass Kinder „unfertig“ auf die Welt kommen und erst zum Menschen werden durch Erziehung. Außerdem gab es keine Kindheit und so mussten Kinder sehr früh in die Erwachsenenwelt eingeführt und angepasst werden.

Buchtipp: „Du bist ok, so wie du bist. Das Ende der Erziehung“*, Katharina Saalfrank, Kiepenheuer & Witsch, 2013

Heute wissen wir es besser. Die Forschungen belegen, dass Kinder mit vielen Fähigkeiten und Kompetenzen schon auf die Welt kommen und die Kindheit als Entwicklungszeit ist auch vorhanden. Wir können uns also trauen, unser Konzept von Erziehung zu überdenken. In meinem Buch lade ich dazu ein, den Blickwinkel zu verändern und die herkömmliche Erziehung zur Seite zu stellen, um Anderes auszuprobieren.

Hilft eine stabile Eltern-Kind-Beziehung Konflikte zu meistern?

Ja, denn in einer positiven, konstruktiven Beziehung sind sich Eltern und Kinder nah. Auf dieser Basis können sie Konflikte gut miteinander klären. Wenn wir uns das schon mal klar machen, hilft es uns vielleicht, den eigenen Stress zu reduzieren. Häufig fehlt uns im Alltag die Gelassenheit. Dauernd fühlen wir uns gefordert, dabei gibt es für Eltern nicht ständig etwas zu tun. Wir dürfen uns auch mal entspannt zurückzulehnen und unseren Kindern und deren Entwicklung mit Genuss zuschauen.

Ärger und Wut, die mit Konflikten einhergehen, lassen sich doch nicht einfach ignorieren …

Natürlich sind Gefühle im Spiel und die lassen sich auch nicht ausblenden. Gerade in Konfliktsituationen. Ich meine auch nicht, dass wir uns gegenseitig mit „Samthandschuhen“ anfassen sollten. Im Gegenteil: Authentisch sein und sagen, was wir denken und fühlen, das macht Eindruck auf den Anderen, das bringt uns in Austausch miteinander. Aber gleichzeitig eben auch wissen, dass das wichtige Entwicklungen sind. Der Weg ist das Ziel und in den Konfliktsituationen erfahren wir über den Anderen und uns selbst eine Menge – ohne das geht es schlicht nicht, es gehört mit zum Beziehungsalltag dazu und ist wertvoll.

Vielen Dank, Katia Saalfrank, für das interessante Gespräch.

Auf ihrer eigenen Beratungsplattform „Familiensprechstunde“ bietet Katia Saalfrank Online-Video-Coaching in Form einer pädagogischen Sprechstunde an. Die richtet sich an jeden, der Fragen rund um das Familienleben hat und /oder sich selbst in einer Krise befindet.

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