Klettergerät, Rutsche, Schaukel aus dem Katalog, dazu einen Sandkasten – fertig ist der sichere, aber oft langweilige Spielplatz. Hans-Peter Barz, Leiter vom Grünflächenamt in Heilbronn, gestaltet lieber attraktivere Spielplätze. Dafür setzt er auch auf die Risikobereitschaft der Eltern.

 

Herr Barz, viele Spielplätze in Heilbronn sind bunt, abwechslungsreich und herausfordernd. Was machen Sie anders?

Barz: Wir versuchen die Spielplätze in Heilbronn so attraktiv zu gestalten, dass es gelingt, die Kinder hinter dem PC hervorzulocken. Sie sollen Lust haben rauszugehen und sich mit Spaß und Spannung an der Bewegung erfreuen. So können Kinder auf Spielplätzen ihre Motorik und ihre Risikokompetenz entwickeln.

Ein attraktiver Spielplatz spricht möglichst alle Sinne der Kinder an und fordert diese entsprechend. Damit meine ich, dass es nicht reicht, ein Angebot zu schaffen, das einfach nur abgespielt werden kann. Sondern, dass es den Kindern auch möglich sein muss, sich mit dem Ort auseinander zu setzen und dabei eigene Erfahrungen zu sammeln. So steht es übrigens auch in der Din 18034, eine Planungsnorm für Spielplätze, die beinhaltet, dass neueste planerische und spielpädagogische Erkenntnisse beim Bau von Spielplätzen mit einfließen sollen. Und daran orientieren wir uns.


Die DIN 18034 dient als Orientierung für Spielplatzplaner und Spielplatzverantwortliche. Hans-Peter Barz hat als Vorsitzender des DIN Ausschusses 18034 maßgeblich daran mitgewirkt. Im Praxis-Handbuch „Spielplätze und Freiräume zum Spielen“ steht alles drin, was man über die Gestaltung von Spielplätzen wissen muss.


 

Was brauchen attraktive Spielplätze konkret?

Attraktive Spielplätze müssen Räume bereithalten, die sich die Kinder selbst gestalten und verändern können, zum Beispiel durch das Experimentieren mit Wasser und Sand. Je nach Situation und Flächengröße bauen wir deshalb oft naturnah, damit auch Kinder in dicht bebauten Städten die Chance auf Naturerfahrungen haben.

Auch die Förderung und Pflege von Sozialkontakten spielt auf Spielplätzen übrigens eine große Rolle. Spielplätze sind ja die Aufenthaltsorte von jungen Familien in Wohnquartieren und haben eine hohe Bedeutung für Sozialkontakte unter den Eltern und den Kindern. Wir bauen Spielplätze deshalb auch als Wohlfühlorte, wie zum Beispiel den Spielplatz im Pfühlpark – ein beliebter Treffpunkt für Familien.

Naturerfahrungen sind für einen guten Spielplatz wichtig?

Unbedingt. Im Ziegeleipark in Heilbronn – das ist ein großer Abenteuerspielplatz-Komplex – dort gibt es einen Wasserspielplatz, der über einen kleinen Bachlauf gespeist wird und direkt ans Wasser gebaut wurde. Hier können die Kinder Gräben bauen, matschen, Wasser hin- und herleiten, es gibt archimedische Spiralen und eine Rutsche, die direkt ins Wasser führt. Kinder können mit den Naturelementen spielen und diese immer wieder verändern.

Und gleich nebenan gibt es einen großen Abenteuerspielplatz mit Kletterstangen und Weidenhügeln. Kinder können dort hoch hinaus. Da ist alles geboten, was Kinder reizt und was Kinder brauchen.

Sind Sie mutiger als andere, wenn Sie einen Spielplatz mit direktem Zugang zum Gewässer bauen?

Wenn man einen Spielplatz direkt an ein Gewässer baut, muss man natürlich auch hier für Spielplatzsicherheit sorgen und das haben wir getan. Es gibt auf dem Spielplatz einen Flachwasserbereich, der die erlaubte Tiefe von 40 cm nicht übersteigt. An der Grenze zum tieferen Wasser wurde ein Zaun durch das Wasser gezogen, den die Kinder nicht überwinden können. Mittlerweile ist der auch bewachsen, da geht’s dann auch optisch.

Also gilt: Sicherheit vor Risiko?

Ich bin prinzipiell sehr für Mut zum Risiko und wir bauen selbstverständlich auch erkennbare Risiken ein. Das ist auch enorm wichtig. Denn alle Wissenschaftler in dem Bereich sagen, die Kinder sind motorisch eingeschränkt, weil sie sich nicht mehr ausreichend bewegen. Deshalb brauchen wir gerade Bewegungsräume, die die Kinder zum Klettern, Rutschen, Schaukeln, Hangeln, Balancieren oder zum Springen animieren.

Entscheidend ist, versteckte Gefahren auszuschließen. Um beim Wasserspielplatz zu bleiben, wenn Kinder in ihr Spiel vertieft sind und nicht merken, dass das Wasser tiefer wird, können sie schnell in Schwierigkeiten geraten. Daher sorgt der Zaun bei 40 cm Wassertiefe für die nötige Sicherheit. Die Eltern sind übrigens oft diejenigen, die das Risiko scheuen und das ist für uns ein großes Problem.

Warum scheuen Eltern häufig das Risiko?

Eltern wollen ihre Kinder wohl behütet aufwachsen sehen. Das ist grundsätzlich verständlich. Aber vor diesem Hintergrund sagen sie: „Oh Gott, das ist alles viel zu gefährlich, da lass ich mein Kind nicht drauf.“ Dabei verkennen sie, dass Kinder abenteuerliche Spielplätze mit Kletterlandschaften, Felsen, Hangelmöglichkeiten und Wasser wollen.

Und wir wollen das auch. Wir können die Kinder nicht überall in Watte packen. Gerade nicht auf unseren Spielplätzen. Denn Spielplätze haben eine wichtige Funktion für die natürliche Entwicklung unserer Kinder. Sie brauchen auch solche Herausforderungen, damit sie ihre Motorik, ihren Gleichgewichtssinn und ihre Risikokompetenz entwickeln.

Sollten Eltern ihren Kindern mehr zutrauen?

Prinzipiell sollten Eltern wissen: Kinder können sich in der Regel selbst sehr gut einschätzen. Diejenigen, die eine risikoreiche Situationen aufsuchen, zum Beispiel, indem sie ein hohes Klettergerät erklimmen, bewältigen diese Herausforderung in der Regel oder stoppen ab, wenn es ihnen zu riskant wird und klettern nicht weiter.

Diejenigen, die ein bisschen mehr als andere über die Entwicklung von Kindern verstehen, welche Risikokompetenzen Kinder in welchem Alter haben, was Kinder unter drei können, was zwischen drei und sechs Jahren… Wenn man davon eine Vorstellung hat, dann kann man auch Spielplätze mit mehr Risiken versehen, weil man weiß, wie gut Kinder damit umgehen. Und wenn Eltern mehr darüber wüssten, hätten sie vielleicht die nötige Gelassenheit und das nötige Vertrauen in ihre Kinder.

Eltern können sich jedenfalls sicher sein, dass bei uns jegliche Vorschriften zur Spielplatzsicherheit eingehalten werden. Wir lassen jeden Spielplatz, der nicht mit genormten Geräten (sind bereits vom Hersteller geprüft) ausgestattet ist, immer von externen Sicherheitsexperten abnehmen. Diese prüfen vor Freigabe eines neuen Spielplatzes immer, ob es hier und da Stellen gibt, die man entschärfen muss.

Mein Eindruck ist, dass es manchmal auch den Spielplatzverantwortlichen an diesem Wissen fehlt…

Ich glaube, viele Spielplatzverantwortliche machen es sich zu einfach. Wenn ich mich traue einen Kinderspielpatz zu bauen und zu planen, dann muss ich sehr viel wissen über dieses Thema, dann muss ich mich reinarbeiten. Und dann muss ich nicht nur lesen, sondern auch rausgehen und die Kinder beim Spielen beobachten und gucken, was können Kinder und wie gehen sie mit Herausforderungen um. Dann werden die Spielplätze in der Regel auch gut, interessant, vielfältig und mit hohem Spielwert.

Leider arbeiten in kleinen Gemeinden oft keine Fachleute in diesem Bereich. Dort ist der Spielplatz zumeist nur ein Randthema, um das sich dann jemand aus der Verwaltung noch nebenbei kümmert. Das führt dazu, dass beim Spielplatzneubau Geräte aus dem Katalog bestellt und konzeptionslos aufgestellt werden. Fertig ist der 0815-Spielplatz, der die Kinder nach zehn Minuten langweilt.

Vielen Dank, Herr Barz, für dieses interessante Gespräch. Mehr schöne Spielplätze in Heilbronn findet ihr auf Spielplatztreff.


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