Inklusion ist ein Menschenrecht und soll die Teilhabe aller Menschen ermöglichen. Das wird auch in der Spielplatzgestaltung zunehmend wichtiger. Aber wie sieht ein inklusiver Spielplatz aus und was müssen Spielplatzgestalter besonders beachten? Dazu habe ich mit  Julian Richter Senior von Richter Spielgeräte gesprochen.

Herr Richter, wie gehen Sie an das Thema Inklusion heran, wenn Sie einen Spielplatz planen?

Julian Richter Senior: Inklusion ist für mich im weitesten und im guten Sinne ein Miteinander. Der Respekt vor dem anderen ist es, der gepflegt werden muss. Wir müssen das Anderssein nicht abwertend und ausschließend betrachten, sondern respektieren.  Unabhängig davon, worin das Anderssein besteht. Ob durch körperliche, geistige oder emotionale, ethnische Unterschiede oder durch den Altersunterschied.

Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Wir müssen einen Raum mit einer Atmosphäre des Wohlbefindens schaffen. Wenn das gelingt, dann wird sich dort (fast) jeder wohlfühlen, ob groß, klein, dick, dünn, alt, jung, mit oder ohne Behinderung. Einen Spielplatz mit einer guten Atmosphäre zu kreieren, das ist für uns das höchste Ziel, wenn wir planen.

Der Gedanke der Inklusion ist deshalb so sympathisch, weil man versucht, die Verluste, die man durch Spezialisierungseffekte so hingenommen hat, in eine Gesamtleistung, die alle mit einbezieht, wieder zusammenzuführen. Die Gemeinsamkeit bekommt eine andere Bedeutung, wenn das Miteinander eine Interaktion ist und nicht eine Parallele.

Das klingt so, als wäre eine spezielle Rollstuhl-Schaukel keine adäquate Lösung für einen inklusiven Spielplatz?

Was nützt eine Rollstuhl-Schaukel auf einem öffentlichen Spielplatz, die nur für Rollstuhlfahrer interessant ist? Im Grunde genommen ist es traurig, dass die Rollstuhlfahrer häufig als Alibi herhalten müssen.

Julian Richter Senior

Manche Auftraggeber sind schon zufrieden, wenn man ihnen etwas für Rollstuhlfahrer anbietet. Dann ist der Spielplatz barrierefrei und der Gedanke der Inklusion erfüllt. Aber weitergedacht sollten wir uns die Frage stellen: Was nützt eine Rollstuhl-Schaukel auf einem öffentlichen Spielplatz, die nur für Rollstuhlfahrer interessant ist? Im Grunde genommen ist es traurig, dass die Rollstuhlfahrer häufig als Alibi herhalten müssen. Der Prozentsatz der Rollstuhlfahrer ist ja gering im Vergleich zu Menschen mit anderen Einschränkungen.

Eine rollstuhlgeeignete Ausstattung ist wichtig, aber nicht alles. Foto: Richter Spielgeräte GmbH

Trotzdem ist es wichtig, Barrieren auf Spielplätzen abzubauen!

Natürlich. Grundsätzlich sollte ein Spielplatz möglichst barrierearm gebaut werden, um so vielen verschiedenen Menschen wie möglich Zugang zu verschaffen. Auch Rollstuhlfahrer sollten möglichst überall hinkommen, wo sie hinwollen. Wird ein Spielplatz beispielsweise kinderwagengerecht gebaut, ist er im Prinzip auch schon rollstuhlgeeignet. Wir denken jedoch oft zu kurz, wenn wir uns nur auf den Rollstuhlfahrer konzentrieren. Wir sollten genauso an die anderen Arten von Einschränkungen denken.

Diese Spielgeräte ermöglichen verschiedenste Sinneserfahrungen. Foto: Richter Spielgeräte GmbH

Auf Spielplatztreff findet ihr jede Menge barrierefreie Spielplätze.


Das Problem nur: So groß kann ein Spielangebot gar nicht sein, um wirklich jeder Art von Einschränkung oder Behinderung gerecht zu werden.

Da haben Sie Recht. Die spezielle Ausstattung mit barrierefreien Spielgeräten ist für uns daher eher zweitrangig. Die Einzelfunktionen des Drehens, Schaukelns, Rutschens und Kletterns nutzen wir nur als kleine Werkzeuge, die zu einer gelungenen Atmosphäre beitragen. Außerdem gilt zu beachten, dass Menschen die gleichen Spielgeräte immer individuell nutzen und manchmal unterschiedlich viel oder wenig damit anfangen können. Deshalb wäre die Fokussierung ausschließlich auf Spielgeräte zu kurz gedacht.

Wie meinen Sie das?

Während das eine Kind in einem Rollstuhl-Karussell riesigen Spaß hat, kann sich dieser Dreheffekt auf ein psychisch krankes Kind sehr negativ auswirken. Oder nehmen wir die rollstuhlgerechte Rampe als Teil eines Spielgerätes. Diese kann von einem Kind, das im Rollstuhl sitzt, jedoch mehrfach geistig und körperlich behindert ist, trotzdem nicht selbstständig hochgefahren werden. Blinde bräuchten hier zusätzlich bestimmte Orientierungshilfen und Kinder auf zwei gesunden Beinen würden vielleicht beim Hochlaufen der Rampe die Herausforderung vermissen. Daher lässt sich die Frage der Inklusion nicht anhand einzelner Spielgeräte festmachen.

Das Ziel eines inklusiven Spielplatzes ist es, allen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Kompetenzen und Einschränkungen einen Raum anzubieten, in dem sie weitgehend ihren Möglichkeiten entsprechend selbstbestimmt handeln können.

DEN inklusiven Spielplatz mit DER perfekten Ausstattung gibt es also gar nicht?

Aus meiner Sicht: Nein. Das Ziel, für alle Menschen auf einem Spielplatz alles anzubieten, halte ich für unrealistisch. Der Wert eines Platzes kann für manche schon darin bestehen, passiv am Geschehen teilzuhaben. Nämlich dann, wenn die Behinderungen so schwerwiegend sind, dass sie gar nicht in der Lage wären, aktiv mitzumachen. Dann ist es wunderbar, wenn sie einfach nur mit dabei sind und sich wohlfühlen.

Mit diesem rollstuhlgeeigneten Karussell können auch Kinder fahren, die nicht im Rollstuhl sitzen. Foto: Schilling

Dennoch muss der Ansatz lauten: prinzipiell wird niemand ausgeschlossen. Und deshalb findet der Inklusionsgedanke bei allen Maßnahmen, die wir planen, Berücksichtigung. Wenn über allem der Gedanke steht, wir müssen lernen, das Anderssein zu respektieren, wie ich es eingangs schon gesagt habe, dann gelingen auch größere Lösungen, die mehr Menschen einschließen. Das Miteinander steht im Mittelpunkt. Das ist es, was wir bei Richter Spielgeräte planerisch immer im Auge haben.

Vielen Dank, Julian Richter Senior für diese äußerst interessanten Erkenntnisse. Inklusion auf dem Spielplatz – keine leichte, aber eine spannende und notwendige Aufgabe.